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Der 2. Februar 1924 war ein bitterkalter Tag. Durch Küstrin fegte der Schnee. Die Nacht hüllte alles Leid dieser Zeit in ihr sanftes Dunkel. Nur am Markt, in der Nähe des markgräflichen Schlosses, brannte kurz nach Mitternacht noch ein einsames Licht. Im Haus Nummer 196 kam ich, Lotte Margarete Hänsch, später adoptierte Faber und jetzt verwitwete Guse, als Tochter von Hedwig und Otto Hänsch zur Welt. Ich war das erste Kind meiner Eltern. Meine jüngere Schwester Gerda wurde zwei Jahre später, am 6. April 1926, geboren.
Mein Verhältnis zu meiner Familie war nicht einfach. Es scheint, als wollte der liebe Gott mich auf die Probe stellen. Er gab mir Eltern, deren Verbindung nicht auf herzliche Zuneigung begründet war. Deshalb konnte ich sie auch nicht innig lieben.
Die Bürde, das ungeliebte Kind eines ewig streitenden Ehepaares zu sein, prägte mich von Kindheit an. Diese Last überschattete mein Leben lange Jahre. Ich war allein, ging meinen Pflichten nach und dachte nicht daran, daß es einen Mann geben könnte, der mich liebt. Ich hatte wenig Selbstwertgefühl, ja ich zweifelte daran, daß auch mir privates Glück zustehen könnte.
Erst als ich älter wurde, erfüllte sich meine lange verloren geglaubte Jugendliebe. Diese Liebe hatte schon in Kindertagen begonnen. Doch erst 1993 heiratete ich meinen Jugendfreund Kurt Guse. Bis zu seinem Tod lebten wir sieben unvergeßliche Jahre zusammen.
Sonst erlebte ich kaum etwas Außergewöhnliches. Die Beziehung zu Kurt war es, die aus meinem Leben etwas Besonderes gemacht hat. Durch ihn fand ich noch im Alter mein Glück.
Alles fügt sich und erfüllt sich, mußt es nur erwarten können, und dem Werden deines Glückes Jahr und Felder reichlich düngen. Ich denke, daß dieser Satz des Dichters Christian Morgenstern gut zu meinem Leben paßt. Durch Kurt wurde mir noch mit knapp siebzig Jahren eine Familie geschenkt. Ich bin Großmutter, ohne jemals ein Kind bekommen zu haben.
Meine Enkel baten Kurt und mich oft: „Ihr seid Zeitzeugen - erzählt uns davon!” Ihrem Wunsch möchte ich nachkommen und von meinem Leben berichten. Meine Geschichte ist mit Kurts Geschichte eng verbunden, da wir dieselbe Heimat haben. Ich erzähle sie auch um meiner selbst willen. Ich möchte Rückschau halten, um am Ende meiner Tage sagen zu dürfen: Ich war etwas zum Lobe Deiner Herrlichkeit, o Gott!
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