Samstag, 10. November 2007
Lotte Guse ist mir ihrer Lebensgeschichte umgezogen
Die neuen Folgen meines Blogs finden Sie unter: http://www.rohnstock-biografien.de/blog/lebensgeschichte/lebensgeschichte_blog.html

Besuchen Sie mich und erfahren Sie, wie es weitergeht! Ich freue mich auf Sie!

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Freitag, 6. Juli 2007
Folge 10: Gewissenskonflikte
Allein die Stunde zählt - Buchtitel

Mein Buch bei Rohnstock Biografien
Mein Blog bei Rohnstock Biografien

Schon als ich ein kleines Mädchen war, bestimmte der christliche Glaube mein Leben. So ist es bis heute.
Großmutter hatte früh damit begonnen, mir aus der Bibel vorzulesen und zu erzählen. Ich saß ihr zu Füßen und lauschte aufmerksam. Das ist eine der schönsten Erinnerungen aus meiner frühen Kindheit.
Um in Küstrin so wenig wie möglich zu Hause sein zu müssen, übernahm ich Verpflichtungen in unserer Kirchengemeinde. Diese Aufgaben bereicherten mich. Im Gemeindehaus fühlte ich mich zu Hause, die Schule bot mir Zuflucht. Mein Herz wollte fort, fort aus meinem Elternhaus, fort von diesem Ort des Unfriedens. Dieser Wunsch wuchs in mir und wurde immer mächtiger.
Gott gab mir Pastor Walter Rosenfeld, den treuen Seelsorger der Friedensgemeinde, als väterlichen Freund und schenkte mir durch liebe, verständnisvolle Menschen Freude am Leben. Pastor Rosenfeld war mit einer Frau verheiratet, die ich sehr mochte. Da das Ehepaar kinderlos geblieben war, kümmerte er sich um so mehr um mich und um viele andere Jugendliche. Das war eine große Bereicherung für mich.
Meine Nenn-Tante, Frau Gülke, hat viel dazu beigetragen, daß mein Selbstvertrauen allmählich wuchs. Noch mehr habe ich dem Pfarrer und seiner Frau zu verdanken.
Ich wußte zwar, daß ich zu den guten Schülern zählte. Trotzdem konnte ich mir nicht vorstellen, daß ich ein wertvoller Mensch sei. Wie hätte ich für andere Leute wertvoll sein können? Schließlich war ich das ungeliebte Kind meiner Eltern. Selbst meine Zurückhaltung hielt ich manchmal für etwas Schlechtes. Es ist nicht unbedingt gut, wenn ein Mensch ständig grübelt und grübelt.
Ich zerbrach mir den Kopf über Gott und die Welt. Als ich mit vierzehn Jahren konfirmiert werden sollte, glaubte ich, dafür noch nicht reif zu sein. Meine Familie billigte meine Entscheidung. Ich wartete noch zwei Jahre.
Den Konfirmandenunterricht besuchte ich schließlich mit meiner jüngeren Schwester. Nun lernte ich den Herrn des Lebens noch besser kennen.
Am 10. März 1940, im Alter von sechzehn Jahren, wurde ich zusammen mit Gerda konfirmiert. Da es das erste Kriegsjahr war, feierten wir bescheiden in Küstrin, in der Friedenskirche mit unserem verehrten Pastor Rosenfeld. Mein Konfirmationsspruch stammt aus dem Brief des Paulus an die Philipper. Er lautete: Der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird es auch vollenden bis auf den Tag Jesu Christi.
Eine Woche später gab es in Limmritz ein kleines Familienfest. Für mich war dieses Fest ein Meilenstein. Mein Ziel bestand darin, endlich erwachsen und selbständig zu sein, um aus Küstrin fortzukommen.
Ich begann, intensiv über meinen Berufswunsch nachzudenken. Bereits als Zwölfjährige hegte ich den Wunsch, eine Ausbildung in der Krankenpflege zu absolvieren. Für mich gab es nichts Schöneres, als anderen Menschen zu helfen und ihnen Freude zu schenken.

Ich erinnere mich an einen weiteren Konflikt, der meine Jugend und meinen Glauben prägte. In der Nazizeit gab es in der evangelischen Kirche Auseinandersetzungen darüber, wer die Oberhand gewinnen sollte: jene, die sich Deutsche Christen nannten und die sich dem Nationalsozialismus zuwandten, oder jene, die die Botschaft Christi in den Vordergrund stellten. Die Deutschen Christen hatten die Gleichschaltung der evangelischen Kirche mit dem Nationalsozialismus zum Ziel. Sie lehnten das Alte Testament ab. Zu Konflikten führte auch die Einführung der sogenannten Arier-Paragraphen, die auf Hitlers Rassentheorie beruhten. Die Deutschen Christen erwarteten, daß die Konfirmanden in der Uniform der Hitlerjugend zu ihrer Konfirmation erschienen. Es kam vor, daß an Kirchen Hakenkreuzflaggen gehißt wurden.
Die Bekennende Kirche, zu der Männer wie Dietrich Bonhoeffer und Martin Niemöller gehörten, leistete Widerstand gegen diese Entwicklung. Sie warb für Toleranz gegenüber den Juden.
Küstrin war eine Hochburg der Bekennenden Kirche. Der Druck auf Pfarrer und Laien war stark. Viele wurden eingesperrt. Meine Familie stand - wie die meisten Küstriner - auf der Seite der Bekennenden Kirche.
Im Jahr 1938 wagte es Pastor Walter Rosenfeld, im Gottesdienst für Martin Niemöller und die anderen Männer und Frauen, die verfolgt wurden, zu beten. Dafür sperrten ihn die Nazis für mehrere Monate ins Gefängnis.
Einige Gemeindemitglieder zogen vor das Gefängnis und sangen. Wir jungen Mädchen schlossen uns an. Wir wollten unserem Pfarrer zeigen, daß wir ihn nicht vergessen hatten und daß er mitten unter uns war.
Daraufhin wurde Pastor Rosenfeld in eine andere Zelle verlegt. Er durfte nicht mehr ans Fenster. Nach seiner Entlassung wurde er als einfacher Gefreiter zur Wehrmacht eingezogen.
Auch als ich nicht mehr in Küstrin lebte, hatte Pastor Rosenfeld großen Einfluß auf mich. Er schickte mir wunderbare Briefe. Natürlich waren es keine Liebesbriefe. Da er für die Konfirmation verantwortlich war, schrieb er auch anderen Jugendlichen.
Am 29. August 1944 wurde Pastor Rosenfeld in Rumänien verwundet und starb dort.
In Deutschland mußten alle Mädchen im Alter von vierzehn bis achtzehn Jahren Mitglieder des Bundes Deutscher Mädel (BDM) werden, der nationalsozialistischen Jugendorganisation. Schon mit zehn Jahren waren sie Deutsche Jungmädel und gehörten der Hitlerjugend an. Das war während der NS-Zeit Pflicht.
In Küstrin waren schon fast alle meine Schulkameradinnen Jungmädel oder BDM-Mitglieder. Nur zwei andere Schülerinnen und ich waren noch übrig. Die Schulleiterin ärgerte sich über uns. Um endlich die Jugendfahne für unsere Schule zu bekommen, wollte sie nach oben melden, daß alle Kinder ab zehn Jahren in der Hitlerjugend waren. Ich aber war bereits dreizehn und immer noch nicht drin. Wir drei waren eine ››Schande‹‹ für die Schule.
››Wann wirst du endlich Jungmädel, Lotte?‹‹ mahnte mich die Schulleiterin wieder und wieder. Sie war zwar Christin, trug aber das Abzeichen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP).
Ich zog meine Nenn-Tante ins Vertrauen, die Englischlehrerin Frau Gülke. ››Geh in diese Hitlerjugend‹‹, riet sie mir. ››In der evangelischen Jugendgruppe kannst du trotzdem bleiben!‹‹
Zähneknirschend folgte ich ihrem Rat. Im November 1937 wurde ich Deutsches Jungmädel. Eins der Mädchen, die ebenfalls so lange standhaft geblieben waren, mußte dem Drängen der Schulleiterin schließlich auch nachgeben. Das andere verließ die Schule aus persönlichen Gründen.

Die BDM-Mitglieder trafen sich jeden Dienstag um 19 Uhr zum Heimabend. Ich ging zweimal hin.
››Ich kann nicht mehr kommen‹‹, sagte ich beim zweiten Mal. ››Um diese Zeit findet der Kindergottesdienst statt, beim dem ich helfen muß.‹‹
So leicht wurde ich die unangenehme Pflicht jedoch nicht los: ››Gut‹‹, hieß es, ››dann teilen wir dich für einen anderen Tag ein.‹‹ Statt am Dienstag sollte ich nun am Mittwoch beim Heimabend des BDM erscheinen.
Zwei-, dreimal tat ich, wie mir geheißen. Dann protestierte ich erneut: ››Mittwochs trifft sich aber der Chor. Am Donnerstag ist Bibelstunde, und außerdem findet das Bittgebet statt.‹‹
››An welchem Tag hast du denn Zeit?‹‹ wurde ich gefragt.
Ich hatte gar keine. Nur an den Sonnabenden besuchte ich notgedrungen die Veranstaltungen des BDM. Der Sonnabend war der Staatsjugendtag. Alle Mitglieder der Hitlerjugend hatten zu erscheinen. Für uns wurden Geländespiele und Wanderungen organisiert. Außerdem mußten wir an nationalsozialistischen Schulungen teilnehmen.

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Montag, 18. Juni 2007
Folge 9: Großmutters Tod
Allein die Stunde zählt - Buchtitel

Mein Buch bei Rohnstock Biografien
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Nach ihrem Unfall im Herbst 1928 war meine Großmutter Antonie pflegebedürftig. Natürlich wurde sie zu Hause versorgt. Niemand hätte einen Angehörigen in ein Heim gegeben. Es war Sitte, Kranke und Ältere im eigenen Haushalt zu betreuen.
Da Anna nicht berufstätig war, konnte sie sich um ihre Mutter kümmern. Auch Franz umsorgte Großmutter rührend und half, wo er konnte. Er war ein wunderbarer Schwiegersohn.
Als ich zwölf Jahre alt war, durfte ich Anna bei der Pflege meiner Großmutter zur Hand gehen.
Antonie war nicht mehr in der Lage, ihr wunderschönes langes Haar zu kämmen und sich selbst zu waschen. Ich bürstete sie und half ihr beim Waschen und Anziehen. Ich begleitete sie zur Toilette. Da es im Dorf noch keine Kanalisation gab, mußte man über den Hof laufen, um zum Abort zu kommen.
Ich sehe Antonie noch vor mir. Sie trug einen langen Rock, der unten mit einer Stoßborte eingefaßt war.
Leider baute sie während ihrer langen Krankheit geistig ab. Sie konnte sich nicht mehr erklären, woher die Musik kam, obwohl wir schon seit den zwanziger Jahren ein Radio besaßen.
Während dieser Zeit lernte ich, mit einem pflegebedürftigen Menschen umzugehen. Sicher rührte daher mein Wunsch, in der Krankenpflege zu arbeiten.

Großmutter war in den Wochen vor ihrem Tod nicht mehr ansprechbar. Anna und Franz erlaubten mir jedoch, gemeinsam mit ihnen in Großmutters Zimmer zu bleiben. Stets wachte jemand an Großmutters Bett, denn wir wußten, daß sie bald von uns gehen würde. Früher war es selbstverständlich, daß die Leute bis zu ihrem Tod zu Hause gepflegt wurden. Wenn ihr Ende nahte, ließ man sie nicht allein, sondern stand ihnen bei. So wie jeder neue Erdenbürger unter der Anteilnahme der gesamten Familie das Licht der Welt zu Hause erblickte, so schlossen die Leute auch in gewohnter heimischer Atmosphäre für immer ihre Augen.
Ich habe dieses langsame Sterben erlebt. Es ist ein geruhsamer, gemächlicher Tod, der den Menschen ereilt, wenn seine Zeit auf Erden abgelaufen ist. Dieser Tod hatte etwas Erhabenes. Er weckte tiefe Ehrfurcht in mir. Er war anders als dieses Aufbäumen von Menschen, die auf das Ende noch nicht vorbereitet sind.

Meine geliebte Großmutter starb am 6. Februar 1938, einem Sonntag. Dieser Tag wird mir für immer unvergeßlich bleiben, denn vier Tage zuvor war ich vierzehn Jahre alt geworden. Am Sonnabend fuhr ich - wie an jedem Wochenende - nach der Schule von Küstrin nach Limmritz.
Am 6. Februar, in den frühen Morgenstunden, war ich wohl zu müde, um noch länger an Großmutters Bett zu wachen. Anna und Franz schickten mich in mein Zimmer. Dort schlief ich ein.
Gegen zehn Uhr stand ich auf. Ich erinnere mich genau. Ich wartete in meinem weinroten Kleid, das Anna mit goldenen Bändchen verziert hatte, im Eßzimmer und schaute hinaus in den tiefverschneiten Garten.
Plötzlich trat Franz ins Zimmer. ››Komm mit rüber, Lottchen‹‹, sagte er, ››die Großmutter ist gestorben.‹‹
Entsprechend unserer Tradition wurde der Todesfall im Dorf bekannt gemacht, indem die traurige Nachricht von Haus zu Haus übermittelt wurde. Wie auf dem Land üblich, fand die Trauerfeier nicht in der Kirche statt, sondern im Hause der Trauernden.
Die Totenfrau wusch die Verstorbene. So, wie ich es später als Krankenschwester auch tat. Ich durfte Großmutter noch einmal anschauen, bevor sie mit ihrem gewellten, melierten Haar, das ich so oft gekämmt hatte, in den Sarg gelegt wurde. Ich lernte, dem Tod ohne Schrecken und Abscheu zu begegnen.
In diesem Moment des Abschieds erinnerte ich mich an ein Erlebnis mit meiner Großmutter: Als ich ungefähr sechs Jahre alt war, besuchten wir gelegentlich ihre Freundin, deren Sohn eine Tischlerei besaß. ››Jetzt gehen wir zu der armen alten Frau Wiersdorf‹‹, sagte Großmutter und nahm mich bei der Hand.
Frau Wiersdorf war zwar im selben Alter wie Großmutter, aber sie konnte wegen einer Verletzung am Bein nicht mehr laufen. Wir verbrachten ein Plauderstündchen in ihrem Zimmer. Wenn wir uns verabschiedeten, sagte Großmutter jedesmal: ››Nun schauen wir in der Tischlerei nach, ob mein Sarg noch dort steht!‹‹
Die Leute auf dem Lande sorgten frühzeitig vor. Schon zu Lebzeiten bestellten sie ihren Sarg, denn er mußte eine Stunde nach dem Tod bereit sein. Die Grabstelle auf dem Friedhof wurde schon lange vor dem Greisenalter ausgesucht. Auf dem Dorf sind Erbbegräbnisse üblich. Das bedeutet, daß der Mensch an dem Ort beigesetzt wird, an dem seine Familienangehörigen beerdigt wurden.
Als Kind ging ich sonnabends mit der Großmutter gern zum Gießen und Harken auf den Friedhof. Ihre Grabstelle war mir vertraut. Meine Urgroßeltern und mein Großvater Karl ruhten bereits dort.
Am Donnerstag nach Großmutters Tod versammelten sich Verwandte und Freunde zur Trauerfeier. Bis dahin stand der Sarg im Zimmer. Im Sommer hätten wir die Verstorbene in der Waschküche oder in einem anderen kühlen Raum aufbahren müssen. Der Sarg wurde nicht verschlossen, damit wir die Tote jederzeit betrachten und Abschied nehmen konnten. Da es im Kreise der Familie geschah, entbehrte dieses Ritual aller Schrecken und Ängste.
Wer Großmutter noch einmal sehen wollte, stieg am Hauseingang die beiden Stufen hoch, durchquerte eine kleine Veranda und gelangte schließlich zu einer zweiflügeligen Tür. Dahinter befand sich der Sarg. Einige Trauergäste brachten Blumen mit. Sie wurden um den Sarg aufgestellt.
Wer in unser Zimmer wollte, mußte am offenen Sarg vorbeigehen. Das Eßzimmer richteten wir für die Trauerandacht her. Sie wurde von Pfarrer Treder gehalten.
Wie alle anderen Familien besaßen wir ein Büffet mit Anrichte und Spiegel. Davor waren Kristallrömer aufbaut. Nach Großmutters Tod verhüllten wir den Spiegel mit einer schwarzen Decke. Er sah aus wie ein Altar. Den schweren Eßtisch aus Eiche schleppten wir in die Schlafstube. Auf dem freigewordenen Platz stellten wir mehrere Stuhlreihen auf. Dennoch reichten die Sitzgelegenheiten nicht für alle Gäste. Einige mußten stehen.
Nach der Trauerandacht nahmen die jüngeren Bauern und die Söhne von den Nachbarhöfen den Sarg auf ihre Schultern. Sie hoben ihn auf einen Wagen, der auf dem Hof wartete. Pferde, die mit schwarzen Umhängen geschmückt waren, zogen das Gefährt zum Friedhof.
Unser Haus lag am Rand des Dorfes, das an den Sternberger Höhenrücken angelehnt war. Wir wohnten im Unterdorf. Es war zwar nicht bergig, aber hügelig. Wir folgten dem Wagen die Chaussee hinauf ein ziemlich weites Stück bis zum Friedhof. Unterwegs kamen wir an vielen Häusern vorbei. Mehr und mehr Menschen schlossen sich unserem Trauerzug an.
Auf dem Friedhof hielt der Pfarrer eine kurze Trauerrede. Wer bis dahin noch nicht in Tränen ausgebrochen war, fing nun an zu weinen. Auf dem Lande sind Beerdigungen ergreifend, weil alle den Verstorbenen gekannt haben.
Als wir in unser Haus zurückkehrten, hatten Bekannte inzwischen aufgeräumt und den Tisch gedeckt. Wir setzten uns nieder zum Totenschmaus. In Erwartung vieler Gäste hatten wir sogar eine Kochfrau bestellt. Sie hatte aus 25 Pfund Mehl Kuchen gebacken. Man stelle sich diese Menge vor!
Auf dem Land war es üblich, die Verstorbenen mit einer großen Trauerfeier zu würdigen. Es waren regelrechte Familientreffen. Die Verwandten kamen von überall. Der Bruder meiner Großmutter reiste mit seiner Familie aus Bomst an, das vierzig Kilometer von Limmritz entfernt ist. Eine 78jährige Frau fuhr zirka zwanzig Kilometer mit dem Fahrrad. Sie nahm diese Strapaze mitten im Winter auf sich - trotz Schnee und Eisglätte!
Die auswärtigen Gäste übernachteten bei uns. Deshalb mußte ich bei Bekannten schlafen. Nach Großmutters Beerdigung ging ich eine Woche lang nicht zur Schule.

Als meine Großmutter starb, war sie 76 Jahre alt. An jenem Wintertag dachte ich daran, daß wir das Jahr 2000 schreiben würden, wenn ich ebenso alt wäre wie sie. Jetzt, im Jahre 2002, lebe ich immer noch. Nur mein lieber Mann Kurt ist schon tot.
In meinem späteren Leben kam ich als Krankenschwester viel mit Alten und Todkranken in Berührung. Ich wachte an ihrem Bett und stand ihnen in ihren letzten Stunden bei. Aus dieser Erfahrung heraus weiß ich, wie schwer es ist, wenn alte Menschen völlig alleingelassen in einem Krankenhaus sterben müssen. Nur, weil die Verwandten ihren Urlaub nicht absagen wollten ...
Ich möchte - wie meine Großmutter Antonie - in meiner letzten Stunde auch einen vertrauten Menschen an meiner Seite haben. Ich will mein Leben nicht auf der Intensivstation eines Krankenhauses beenden, wo mein Körper mit Schläuchen an eine Apparatur gefesselt ist.
Heutzutage fürchten sich die Menschen vor der Berührung mit dem Tod. Sie möchten am liebsten alles an andere delegieren, an Krankenschwestern und Ärzte. Es scheint, als würde der Tod nicht mehr in unsere schnellebige Welt passen, in der nur Jugend und Schönheit zählen.
Die Natur kümmert sich nicht um die modischen Erscheinungen der Welt. Sie folgt ihren Gesetzen wie eh und je. Dazu gehören Kommen und Gehen, Geburt und Sterben.

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